Einblick – «Die bisher grössten persönlichen Berufserfolge?»
Diese Frage hat Denise Remund von BriskMatch diese Woche in einem LinkedIn-Post aufgeworfen. Sie selbst reflektierte darüber, als ihr die Frage bei einer Junggesellinnen-Abschieds-Party zugespielt wurde, und hielt dann zuerst inne. Es sind für sie nicht die vordergründig erreichten Meilensteine, wie ein Masterabschluss, eine Beförderung oder eine Projektzusage, sondern der Mut, Entscheidungen zu treffen, die den eigenen Berufsweg bestimmen.
Das hat mich inspiriert, selbst über die Frage nachzudenken, welche Kriterien für mich Erfolg definieren. Tatsächlich sind es nicht die entscheidenden Etappen im beruflichen Werdegang, die sind ohnehin in chronologischer Reihenfolge im Online-Portrait nachlesen lassen. Es sind die gewonnen Erfahrungen, getroffenen Entscheidungen und genutzten Chancen, deren Wirkung nachklingen und sich viel mehr auf der sozialen, zwischenmenschlichen Ebene abspielen.
Dies hat aus meiner Sicht auch mit dem Schaffen von Mehrwerten zu tun, sprich dem Kreieren geteilter Werte (s. dazu auch «Creating Shared Value»). Dennoch verlasse ich mit diesem Beitrag die begonnene Reihe der Interviews mit angewandten Beispielen zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UN SDGs) und gewähre einen persönlichen Einblick.
Atmosphäre des gegenseitigen Respekts
In meiner frühen und ersten Zeit der Selbständigkeit – ich bewegte mich damals auf den drei Standbeinen Texten, Übersetzen und Sprachvermittlung – unterrichtete ich zum ersten Mal eine Klasse von insgesamt 21 junger Erwachsener in deutscher Sprache. Es war die Zeit des Jugoslawienkrieges und zwei Teilnehmer konnten dank der Unterstützung der Hilfsorganisation HEKS an diesem Sprachkurs an einer privaten Bildungsinstitution teilnehmen.
Am Anfang des semestrigen Kurses sassen die beiden Teilnehmer aus Serbien bzw. Kroatien diametral voneinander entfernt. Wir alle arbeiteten konzentriert und verfolgten als Gruppe dasselbe Ziel: die optimale und umfangreiche Vorbereitung zur Zertifikatsprüfung. Ich war beeindruckt vom grossen Willen und der Disziplin aller Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Hier waren alle enorm motiviert, sie hatten sich für dieses Kursangebot entschieden und bestrebt, das Beste daraus zu machen.
Dieser Wille, die Freude und der Enthusiasmus beflügelten uns alle. Wir pflegten eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts. Am Ende des Semesters meldeten sich 20 Teilnehmende an, eine Person verzichtete auf die Prüfung. Davon haben 19 Teilnehmende bestanden, was mich enorm freute und ebenso erleichterte. Am Ende des Kurses nach erfolgter Prüfung – die durch ein externes Prüfungskomitees abgenommen und korrigiert wurde – fanden wir uns für die letzte Unterrichtsstunde im Klassenzimmer zusammen. Hier konnten nun noch aufgekommene Fragen besprochen und geklärt werden.
Ich bedankte mich abschliessend bei allen Kursteilnehmenden für ihren grossen Einsatz. Sie hatten mir den Einstieg in den Beruf als Sprachlehrerin sehr angenehm gemacht. In dieser letzten Unterrichtsstunde sassen der Teilnehmer aus Serbien und der Teilnehmer aus Kroatien nebeneinander am selben Tisch, rechts hinten im Raum – das Bild habe ich noch immer vor mir. Der Kroate erhob sich anschliessend und sprach im Namen der ganzen Klasse ebenso ein Dankeschön aus für die Unterrichtsgestaltung und dafür, dass sie in diesem halben Jahr viel dazu gelernt und schliesslich die Prüfung bestanden hatten. Ich weiss nicht, zu welchem Zeitpunkt sich die beiden Kursteilnehmer gefunden und ausgetauscht hatten. An diesem Abend sah ich sie zum ersten Mal vereint Seite an Seite wie zwei altbekannte gute Freunde.
Für mich ist es ein Sinnbild dafür geblieben, dass in der Vielfalt der Kulturen und Nationalitäten und insbesondere bei vermeintlich zerstrittenen Völkern immer das Individuum zählt und das verbindende Element der gegenseitige Respekt ist. Es war einer der berührendsten Momente in meinem beruflichen Leben.
Ehrliche Anerkennung
Ein zweiter unvergesslicher Moment war ein spontanes und ebenso komplett unerwartet ausgesprochenes Kompliment von einem Managing Director bei einem vormaligen Arbeitgeber eines globalen Pharmaunternehmens. Er hatte die Aufgabe, die Niederlassung für die Schweiz nach einem Merger neu aufzustellen. Es war kommunikativ eine der intensivsten und herausforderndsten Phasen, die ich während zwanzig Jahren Unternehmenskommunikation erlebt hatte. Der Fokus auf das Zusammenführen zweier Organisationen und das Bilden einer neuen gemeinsamen Unternehmenskultur, die anfängliche grosse Ungewissheit über die neuen Strukturen und vor allem, wer weiterhin mit an Bord bleiben würde, forderte aller Register der Change-Kommunikation.
Nach fünf Jahren übernahm der Managing Director innerhalb des Konzerns eine neue Herausforderung und nutzte die Endjahresfeier, sich bei den Mitarbeitenden aus allen vier Niederlassungen der Schweiz für die Zusammenarbeit zu bedanken und sich persönlich zu verabschieden. Am Ende seines Rückblicks rief er mich zu sich auf die Bühne und verdankte meine geleistete Arbeit. Die versammelten Kolleginnen und Kollegen erwiderten dies mit einem grossen Applaus. – Es war dies das schönste Kompliment, das mir zuteil wurde innerhalb meiner Berufsgeschichte! Danke, Ad Ruijs! Danke für das Vertrauen und die Chance, die ich erhalten hatte.
Feedbacks und Anerkennungen – formeller wie informeller, mündlich formulierter noch vor pekuniär erwiesener Natur – erachte ich à propos als entscheidende Motivatoren. Die Wachsamkeit und das Bewusstsein dafür sollten Teil jeder Firmenkultur sein. Ein Thema, über das immer wieder publiziert wird, wie zum Beispiel im Elsevir Human Resources Management Review: «Feedback-Kultur bezieht sich auf die unterstützende Haltung einer Organisation für Rückmeldungen, die nicht bedrohlich, sondern verhaltensorientiert sind, […] und einen starken Bezug zu Leistungsverbesserungen und werteorientieren Resultaten aufweisen», analog Manuel London und James W. Smither (2002, Seiten 81-100).
Entwicklungsmöglichen für junge Talente
Das dritte Erfolgserlebnis umfasst die Förderung junger Berufskolleginnen und -kollegen. Ein Beispiel dazu möchte ich exemplarisch erwähnen. Es war in der Zeit meiner Funktion als Kommunikationsverantwortliche am Hauptsitz des zur Beiersdorf gehörenden international tätigen Unternehmens La Praire Group.
Wir hatten grad einen Engpass in unserer Abteilung und ich erhielt einen Praktikanten zur Unterstützung, dem wir allerdings nur einen befristeten Vertrag anbieten konnten. Wir verstanden uns auf Anhieb enorm gut. Er war interessiert, dachte und handelte vorausschauend, hatte exzellente Umgangsformen und blieb bei allem, was er machte, selbstkritisch und bescheiden. Ebenso hatte er eine klare Vorstellung davon, wohin er sich entwickeln wollte. Es zog ihn hin in die Finanzwelt.
Dank meiner PR-Ausbildung kannte ich eine Kollegin aus einer der grossen Schweizer Banken, die genau zu jener Zeit auf der Suche nach einem jungen Mitarbeiter war mit Aussicht auf Teilnahme an einem internationalen Förderprogramm. Er bekam die Gelegenheit sich vorzustellen, wurde während der verschiedenen Gespräche gefordert und auf Herz und Nieren geprüft – und bestand diese Tests mit Bravour. Dieser Einstieg wurde zu seinem Start in die Berufskarriere!
(Nachweis für die vier Bilder dieses Beitrags: Unsplash)