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Blick in einen Abendhimmel, leicht verschwommen. Am linken unteren Rand ist eine Pusteblume erkennbar. Die Hälfte ihrer Blütenstäbe fliegen als kleines fröhliches Wolkengebilde dem Himmel entgegen. Sichtbar rechts oben im Bild in Dunkelblau auf hellblau gefärbtem Hintergrund.

ESG oder SDGs – worin liegt der Unterschied?

Immer wieder und oft gemeinsam erwähnt

ESG und SDGs erscheinen als Begriffe immer öfter zusammen. Worin unterscheiden sie sich und was haben sie gemeinsam? Ein Versuch der Annäherung und Einordnung.

Mit Fokus auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen

Blick in einen Abendhimmel, leicht verschwommen abgebildet. Der Fokus liegt auf einer Pustelblume am linken unteren Rand. Die Hälfte ihrer Blütenstäbe fliegen als kleines fröhliches Wolkengebilde dem Himmel entgegen. Sichtbar rechts oben im Bild in Dunkelblau auf hellblau gefärbtem Hintergrund.
Das Dilemma zwischen endlichen natürlichen Ressourcen und dem Menschen, nach unendlich mehr zu streben. (Fotonachweis: Jamie Street auf Unsplash)

Es geht um Nachhaltigkeit

Im Unternehmensumfeld und in Medienbeiträgen aus dem Finanz- und Investitionswesen sind «Environment», «Social» und «Governance» - kurz «ESG» – häufig anzutreffen. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die «Sustainable Development Goals» oder eben kurz «SDGs», sind dagegen weniger Teil der öffentlichen Diskussion. Was jedoch nicht heisst, dass sie weniger wichtig wären. Beide gewinnen an Bedeutung und das ist eine positive Entwicklung!

Hier zum Merkblatt für eine rasche Übersicht:

ESG – Ökologie, Gesellschaft und gute Unternehmensführung im Kontext der Finanzwelt

In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg sollen Investoren an den Aktienmärkten – zumindest an der New Yorker Börse – ihre Titel im Schnitt während sechs Jahren gehalten haben. 2017 lag die durchschnittliche Anlagezeit noch bei sieben Monaten. Wird der Hochfrequenzhandel - ein mit Computern betriebener Handel - mitberücksichtigt, liegt der Durchschnitt heute gerade mal bei ein paar Dutzend Sekunden. Wobei das High Frequency Trading die Hälfte des gesamten Transaktionsvolumens ausmacht (1). Davon ist das Volumen nachhaltiger Anlagen in der Schweiz allein innerhalb eines Jahres von 2018 auf 2019 um 62 Prozent auf knapp CHF 1,2 Billionen gestiegen. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor, 2009, lag der Betrag noch bei CHF 32,4 Milliarden (2).

Ich bin keine Finanzexpertin. Der rasante Anlageintervall und das grosse Interesse an nachhaltigen Anlagen zeigen jedoch sehr deutlich, dass einerseits und je nach Blickwinkel der Druck bzw. Drang nach Gewinnmaximierung laufend zugenommen hat und andererseits unser Bewusstsein für die Gesamtzusammenhänge auf unserem Planeten erfreulicherweise doch immer ausgeprägter wird. Lässt sich das vereinbaren? Ist dies eine Chance? Tauchen wir etwas tiefer ein!

Mittel mit dem Zweck verwechselt

In den 1980er Jahren setzte der Druck aus Wirtschaft und Gesellschaft auf die Unternehmen vorwiegend in den übersättigten westlichen Märkten ein. Die Differenzierung konnte nicht mehr allein durch den Preis und die Qualität erfolgen. Neben dem Herstellen von Produkten und Anbieten von Dienstleistungen galt es, inbesondere das Unternehmens-Image zu pflegen. Es begann die Zeit der bewussten und damit strategischen Unternehmensverantwortung. Der Blickwinkel wurde breiter. Lag der Fokus damals auf “Environment, Health and Safety” (EHS), so ist inzwischen mit Themen wie Marktumfeld und lieferkettenbezogener Risiken, Auswirkungen auf die Umwelt, Achtung der Lebenserhaltungsbedingungen gegenüber den involvierten Produzenten und Errichten branchenspezifischer Richtlinien die Betrachtungsweise umfassender und komplexer geworden.

Dennoch hat sich unser wirtschaftliches System, nach den Worten von Marcos Athias Neto, Leiter des UNDP Sustainable Finance Hubs, in eine Richtung entwickelt, bei der es allein um die Maximierung finanzieller Werte geht. Die Mittel wurden mit dem Zweck verwechselt. Die finanziellen Aktivitäten mit den Bedürfnissen der Gesellschaft.

Nun ist ab 2020 das ESG-Verständnis in den Vordergrund gerückt und wird seither vermehrt wahrgenommen. Erwartet wird, dass die nach ESG-Kriterien angelegten Vermögen bis 2025 weltweit über 53 Billionen US Dollars übersteigen und mindestens einen Drittel der totalen Anlagevermögen ausmachen sollen. Das Interesse, die Nachfrage und die Notwendigkeit für verantwortungsbewusste Geschäftsführung werden also immer grösser. Und dies seitens der Investoren, der Unternehmen und der Konsumenten.

Wir haben es in der Hand

Und gerade dies ist das besonders Motivierende dabei: Wir als Konsumenten und Anlegerinnen spielen eine aktive und entscheidende Rolle. Wir können diese Entwicklung prägen und fördern. Dass wir dabei vordergründig nachhaltige Entwicklungen dennoch kritisch betrachten und den Blick auf die Gesamtzusammenhänge wahren sollten, zeigt sich am aktuellen Boom auf die E-Autos.

Ein Mann und eine Frau diskutieren und evaluieren im Form eines Workshops aufgrund handgeschriebener Notizen und Analysen, die sie auf einzelne Blätter an die Wand geheftet haben, fundiert ein Thema, um vermutlich daraus die bestmögliche Lösung eines Problems abzuleiten.
(Fotonachweis: Adomas Aleno auf Unsplash)

Eine differenzierte Betrachtungsweise finde ich immer richtig. Ich erachte es daher bei diesem Thema ebenso als wichtig, die Bandbreite an unterschiedlichen Energieträgern optimal zu nutzen, anstatt auf nur eine Form zu setzen. Zur Verdeutlichung hier zwei Beispiele, die uns vermutlich aktuell alle beschäftigen.

Verbrennungs- bzw. Batterie betriebene Motoren

Die Ökobilanzperspektive ist relevant, weil bei Batterie- und Brennstoffzellenautos zwar keine Schadstoffe aus dem Auspuff kommen, die Umweltbelastungen bei der Herstellung der Fahrzeuge und bei der Produktion von Strom und Wasserstoff aber beträchtlich sein können. So weist das Paul Scherrer Institut in seinem Faktenblatt «Umweltauswirkungen von Personenwagen – heute und morgen» darauf hin, dass beim Vergleich der unterschiedlichen Antriebstechnologien der gesamte Lebenszyklus der Autos in die Analyse einbezogen wurde: von der Produktion, über den Betrieb bis hin zur Entsorgung inklusive der Bereitstellung der Treibstoffe Benzin, Diesel und Gas, Strom bzw. Wasserstoff.

Rechenbeispiel Emission und Energieverbrauch

Errechnet wird, dass ein Personenwagen mit Verbrennungsmotor auf 100 km durchschnittlich einen Ausstoss von ca. 400 g CO2 verursacht. Die Zahlen variieren jedoch je nach Quelle: 122,1 g CO2 pro km gemäss Eurostat und EFA (3), 19,3 kg CO2/100 km für einen Benziner/Mittelklasse bzw. 17,3 kg CO2/100 km für einen Dieselmotor/Mittelklasse gemäss CO2-Klimaschutz (4)

Ein Personenwagen mit Batterie betriebenem Motor verbraucht auf 100 km durchschnittlich 15 kWh.

Die Electricity Maps App zeichnet tagesaktuell und praktisch stündlich die Anteile der Stromquellen nach und die damit verbundenen CO2-Emissionen. Hier der Stand der spezifischen CO2-Emissionen in Gramm pro erzeugter Kilowattstunde Strom für den 14. März 2023, 09:00 Uhr MEZ:

Schweiz 96 g CO₂eq/kWh Frankreich 53 g CO₂eq/kWh Deutschland 270 g CO₂eq/kWh Polen 557 g gCO₂eq/kWh
Hauptenergiequellen: Kernenergie, Biomasse, Solarenergie, Wasserkraft, Pumpspeicher und Unbekannt

Hauptenergiequellen: Kernenergie, Biomasse, Kohle, Windenergie, Solarenergie, Wasserkraft, Pumpspeicher, Erdgas, Öl
Hauptenergiequellen:
Biomasse, Kohle, Windenergie, Solaranergie, Pumpspeicher, Erdgas, Unbekannt

Hauptenergiequelle:
Kohle



Gramm Kohlendioxidäquivalenz pro erzeugter Kilowattstunde Strom (gCO₂eq/kWh).

Das heisst, dass bei der Stromerzeugung für ein Elektroauto pro 100 km ein Ausstoss anfällt von

Schweiz Frankreich Deutschland Polen
1 440 g CO2 705 g CO2 4 050 g CO2 8 355 g CO2
Berechnet nach durchschnittlichem Verbrauch eines Batterie-betriebenen Autos von 15 kWh je 100 Kilometer.

Da die Emissionen von Elektrofahrzeugen je nach Art der Stromerzeugung variieren, ist für die CO2-Bilanz von Batteriefahrzeugen der CO2-Gehalt des Stroms entscheidend. Folglich müsste die Ökobilanz je Unternehmen und Land unterschiedlich ausfallen, wenn es beispielsweise für seinen Aussendienst auf E-Mobilität umstellt. Die Frage ist aber auch, inwieweit sein antizipatives Handeln in zukünftig erneuerbare Energien bewertet wird.

Kobalt aus unterdrückten Ländern

Der Tunnelblick auf eine Energiequelle und eine Mobilitätsform allein hilft also nicht weiter. Berichte über die Gewinnung von Kobalt verdeutlichen dies zusätzlich. Auch hier sollte die Ökobilanz konsequenterweise aufführen, welcher Energieaufwand und welche Emissionen unter welchen Arbeitsbedingungen und mit welchen sozialen und ökologischen Folgen damit verbunden sind.

Die in Neuchâtel ansässige Anwältin Brigitte Lembwadio Kanyama, Präsidentin und Mitgründerin der Vereinigung «JeSuisRDCongolaise» hat in der Sendung Tribu auf RTS vom 21. April 2023 im Beitrag «Les guerres oubliées» (Die vergessenen Kriege) auf die Situation in der Demokratischen Republik Kongo aufmerksam gemacht. Aufgrund der dort herrschenden Rebellenkriege müsste der Staat für das Kobalt, das in den kongolesischen Mienen zur Gewinnung von Batterien für die E-Mobilität gewonnen wird, höher entschädigt werden. Stattdessen gelange das Geld an die kriegsführenden Partien.

Ein Artikel in der DIE ZEIT («Die dunkle Seite der Verkehrswende») hat bereits im Januar 2022 festgehalten, dass ein Grossteil der Kobaltproduktion im Kongo zudem von China kontrolliert wird. Durch Berichtspflichten und Transparenzstandards würden sich viele westliche Unternehmen von den prekären Arbeitsbedingungen der Kobaltförderung eher fern halten, ganz im Gegensatz zu chinesischen Unternehmen.

Grafische Darstellung in drei Reihen von je sechs Kacheln der insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Die letzte Kachel zeigt symbolisch die 17 Bereiche in deren jeweils unterschiedlichen Farbton.
Übersicht der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.

SDGs – Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen richten sich an alle

Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen umfasst 17 Ziele, die wiederum in insgesamt 169 Unterzielen eingeteilt sind. Sie alle erstrecken sich auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Bereiche, die es weltweit nachhaltig zu entwickeln gilt. Der globale Plan soll den nachhaltigen Frieden und den Wohlstand fördern und unseren Planeten schützen.

Seit 2016 arbeiten alle Länder daran, diese gemeinsame Vision zur Bekämpfung der Armut und Reduzierung von Ungleichheiten in nationale Entwicklungspläne zu überführen. Alle Staaten sind daher gleichermassen aufgefordert, die drängenden Herausforderungen der Welt gemeinsam zu lösen.

Auch die Schweiz arbeitet daran, diese Ziele national umzusetzen. Dazu wurde die Strategie für Nachhaltige Entwicklung (SNE) erarbeitet. Sie enthält Leitlinien für die Bundespolitik, strategische Stossrichtungen für die Innen- und Aussenpolitik sowie nationale Zielsetzungen. Prioritäten mit drei Schwerpunktthemen wurden definiert, in denen ein besonderer Handlungs- und Abstimmungsbedarf zwischen verschiedenen Politikbereichen besteht:

  • Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion
  • Klima, Energie und Biodiversität
  • Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt

Was ist nun wichtiger: ESG oder SDGs?

ESG ist primär im Finanzumfeld präsent und bildet immer häufiger ein Entscheidungskriterium bei Anlegern und Anlegerinnen. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sind umfassender; die SDGs richten sich an Institutionen und an uns alle als Individuen gleichermassen.

Die Eckdaten dazu sind auf diesem Merkblatt festgehalten:

Noch ein kleiner Einschub dazu aus kommunikativer Sicht: Ernüchternd, aber nicht weiter verwunderlich ist aufgrund der gegenwärtigen Entwicklung in Europa, dass gemäss neustem CEO LinkedIn-Index Geschäftsführer aufgrund der geopolitischen, humanitären und auch wirtschaftlichen Krise ihre Führungsrolle 2022 unterschiedlich interpretierten. Die Komplexität der krisenbehafteten Situation hat dazu geführt, dass CEOs viele andere der grossen strategischen Themen eher zurückhaltend oder gar nicht kommunizierten. Deutlich wird dies gerade im Bereich der ESG-Kommunikation; sie ist im Vergleich zu 2021 zurückgegangen.

ESG wie SDGs verfolgen letztendlich dasselbe Ziel: das Wohlergehen des Planeten und der Menschen. Am besten nutzen wir die Chance und setzen den Fokus - ob unter ESG- oder SDG-Label - so rasch wie möglich wieder auf jene substanziellen Themen und strategisch langfristig entscheidenden Initiativen, die uns alle weiterbringen. Dies mit einem möglichst breiten Blick aus Rücksicht auf die Ressourcen, die uns nicht endlich zur Verfügung stehen.

Die zwei Darstellungen zeigen die Kombination von ESG und SDGs. Damit wird klar, dass sich alle 17 Ziele den drei ESG-Bereichen zuordnen lassen:

Die drei Bereiche "Environment", "Social" und "Governance", farblich in Grün, Orange und Türkisblau festgehalten, werden den 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zugeordnet. Dabei sind einzelne dieser Ziele allen drei ESG-Bereiche zuzuordnen; andere wiederum nur einem oder zwei.
Quelle: ESG to SDGs: Connected Paths to a Sustainable Future – SustainoMetric
Diese schematische Darstellung zeigt ebenso die Vereinbarkeit der drei ESG-Bereiche (Environment, Social & Governance) mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen.
Quelle: The Sustainable Development Goals through the lens of ESG Image  – ResearchGate

(1) Marcos Athias Neto, Director, UNDP Sustainable Finance Hub, 2023:
WHY ESG IS FAILING SUSTAINABLE DEVELOPMENT | SDG Finance (undp.org)

(2) PWC «Sustainable Finance Schweiz – Quo vadis ? », 2020:
https://www.pwc.ch/de/insights/nachhaltigkeit/sustainable-finance-schweiz-quo-vadis.html

(3) Europäisches Parlament: CO2-Emissionen von Pkw: Zahlen und Fakten, 23.03.2023:
CO₂-Emissionen von Pkw: Zahlen und Fakten (Infografik) | Aktuelles | Europäisches Parlament (europa.eu)

(4) CO2 Klimaschutz: Auto: CO2-Ausstoss im Überblick | co2online

Partriat picture Liliane Elspass, Communications Circle PR agency
Autorin

Liliane Elspass